Juni 2023 - Die Reiselust ist zurück. Was während der Corona-Pandemie nicht oder nur unter strengen Auflagen möglich war, geht nun wieder. Die Menschen verreisen und steuern beliebte Ferienziele im In- und Ausland an. Vor allem Destinationen in Deutschland, Italien und Frankreich sind bei Schweizern beliebt, zeigt eine aktuelle Erhebung von Allianz Partners. Geht es weiter weg, stehen die USA als bevorzugtes Reiseziel fest. Alles ist wieder möglich.
Dabei reisen die Schweizer schon immer gerne und viel. Selbst im Corona-Jahr 2021 unternahm jede in der Schweiz wohnhafte Person laut dem Schweizer Bundesamt für Statistik durchschnittlich zwei Reisen mit Übernachtungen. Zudem wurden im Schnitt zehneinhalb Tagesreisen unternommen. Für dieses Jahr rechnen Experten mit deutlich mehr Unternehmungen. Dabei soll auch das Reisebudget wachsen. Einer Umfrage des Beratungshauses AlixPartners zufolge sind fast 40 Prozent der reisewilligen Schweizer bereit, mehr oder sogar deutlich mehr Geld für den Urlaub auszugeben als in 2022. Rund die Hälfte will zumindest das Vorjahresbudget halten, nur zehn Prozent wollen oder müssen eine Kürzung vornehmen. Die Inflation scheint also nur einen begrenzten Einfluss auf die Reiselust der Schweizer zu haben.
Umsätze der Unternehmen erholen sich
Das spüren auch die Touristikkonzerne. Brach ihr Umsatz während der Corona-Pandemie ein, verzeichnen sie nun wieder steigende Einnahmen, die zum Teil über oder zumindest nahe bei denen aus der Vor-Corona-Zeit liegen. TUI ist dafür ein gutes Beispiel. 2019 kam der Reisekonzern, einer der grössten in Europa, auf einen Umsatz von knapp 19 Milliarden Euro. Dann kam der Virus. Im Corona-Hochjahr 2021 belief sich der Umsatz auf weniger als fünf Milliarden Euro, einem Viertel von 2019. Aber bereits im Folgejahr 2022 erholten sich die Zahlen, der Umsatz kam da schon wieder auf rund 16 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr liegen die Schätzungen der Analysten nun bei 19,3 Milliarden Euro und damit über dem Wert aus dem Jahr 2019.
Noch deutlicher fällt die Entwicklung bei den Reiseportalen aus. Booking.com etwa verzeichnete 2019 einen Umsatz von rund 15 Milliarden Dollar, 2023 könnten es knapp 21 Milliarden Dollar werden. Den Umsatzsprung führen einige Beobachter darauf zurück, dass die Menschen ihre während der Corona-Pandemie zwangsweise erlernten Internetfähigkeiten nun auch auf das Reisen anwenden. Der Tourismus wird nach Corona digitaler, vielfältiger, agiler, sagen Experten.
Auch Dufry bekommt die Reiselust zu spüren. Der Schweizer Konzern ist auf den Betrieb von Duty-Free-Shops im Einzelhandel spezialisiert. Die Läden befinden sich hauptsächlich in Flughäfen, auf Kreuzfahrtschiffen und in Hotels. Für das laufende Jahr rechnen Analysten mit einem Umsatz von über zwölf Milliarden Schweizer Franken, nach rund sieben Milliarden im zurückliegenden Jahr. Allerdings sind in den neuen Zahlen auch die Umsätze von Autogrill enthalten. Der italienische Betreiber von Restaurants und Cafeterien an Reisehotspots erzielte im zurückliegenden Jahr einen Umsatz von rund vier Milliarden Euro. Er wurde vergangenes Jahr von Dufry übernommen.
Aufwärts geht es ebenfalls bei der deutschen Lufthansa. Zwar lag das Passagieraufkommen mit etwas über 100 Millionen Menschen im zurückliegenden Jahr immer noch deutlich unter dem Aufkommen in der Vor-Corona-Zeit – 2019 transportierte die Lufthansa weltweit über 145 Millionen Menschen –, doch bereits für das laufende Jahr sollen annähernd die Zahlen aus 2019 erreicht werden. Dafür sprechen auch die Ergebnisse zum ersten Quartal, die Lufthansa transportierte in den ersten drei Monaten 22 Millionen Passagiere. Allein daraus ergibt sich auf das Jahr hochgerechnet ein Aufkommen von rund 90 Millionen Fluggästen, wobei die wirklich reisestarken Urlaubsmonate noch gar nicht berücksichtigt sind. Mit den Konzerntöchtern Swiss und Edelweiss Air ist die Lufthansa auch in der Schweiz sehr präsent.
Klimawandel als Herausforderung Doch nicht alles was mit Reisen zu tun hat ist prima. Auch die Reisebranche steht unter einem massiven Anpassungsdruck. Der Klimawandel fordert die gesamte Branche heraus. Mit dem Billigflieger über das Wochenende nach Ballermann, das soll, kann und darf es so nicht mehr geben. Immerhin stösst ein Flugzeug pro Passagier auf der Strecke Zürich – Mallorca und zurück im Schnitt 0,43 Tonnen Kohlenstoffdioxid, kurz CO2, aus. Das hört sich nicht nach viel an, bei weit über zwei Millionen Fluggästen im Monat allein auf dem Flughafen Zürich kommt da aber sehr wohl eine signifikante Umweltbelastung zusammen. Im Jahr 2019 verursachte der weltweite Passagierluftverkehr rund 785 Millionen Tonnen CO2. Das ist mehr als der gesamte Strassenverkehr in der Europäischen Union (EU) jährlich ausstösst, einschliesslich aller Transporte durch Lastkraftwagen und Busse.
Ein weiter so kann es also weder für die Touristikbranche, noch für jeden einzelnen Reisenden geben. Um die Umwelt zu entlasten raten Experten allgemein dazu, Urlaubstage zusammenzufassen und möglichst nur einmal im Jahr über einen längeren Zeitraum zu verreisen. So werden An- und Abreisestrecken minimiert, was den CO2-Ausstoss mindert. Für Kurzurlaube bieten sich Fahrrad- und Bahnreisen an, der Ballermann über das Wochenende sollte damit passé sein.
Reisetrend setzt sich fort Die Reiselust ist zurück, und mit ihr die Lust auf Aktien von Touristikunternehmen. Die Kurse von TUI, Booking.com, Dufry und Lufthansa sind auf Erholungskurs, bieten aber nach Einschätzung von Experten immer noch Potenzial. Die Aktien der Lufthansa etwa notieren rund 40 Prozent unter ihrem Hoch aus dem Jahr 2019. Natürlich bleiben gewisse Risiken, dazu gehört auch ein erneuter Ausbruch der Corona-Pandemie, unter dem Strich sehen die Chancen für eine Fortsetzung des Reisetrends aus den Vor-Corona-Jahren aber gut aus.