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Baustoffhersteller nutzen die Krise

Die Baustoffhersteller Holcim und Heidelberg Materials überraschen mit guten Zahlen, trotz Krise am Bau. Sie nutzen die schwierigen Zeiten zu Restrukturierungen und stellen sich für die Zukunft neu auf.

Mai 2024 - Wer sich die neuesten Zahlen aus der Baustoffbranche anschaut, mag kaum glauben, dass der „Bau“ in der Krise steckt. Trotz weniger Bauaktivitäten, Baustoffhersteller wie Holcim und Heidelberg Materials liefern beachtliche Zahlen. Bei Holcim etwa sind zwar die Einnahmen im ersten Quartal 2024 leicht gesunken, die Profitabilität ist aber deutlich besser ausgefallen, als es selbst Optimisten erwartet hatten. Der Umsatz fiel in den ersten drei Monaten um 2,4 Prozent auf rund 5,6 Milliarden Franken, wie der weltgrösste Zementkonzern im April mitteilte. Zugleich konnte das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Rapperswil-Jona hat, den Betriebsgewinn EBIT um fast acht Prozent auf 532 Millionen Franken steigern.
Beachtlich auch die Entwicklung beim deutschen Konkurrenten Heidelberg Materials. Das Unternehmen konnte seinen Umsatz in 2023 im Vergleich zum Vorjahr um über vier Prozent auf über 21 Milliarden Euro anheben. Das operative Ergebnis sprang sogar um 29 Prozent auf drei Milliarden Euro.

Fit für die Zukunft
Dass es trotz Flaute am Bau bei den Baustoffherstellern gut läuft, hat vor allem mit ihren Restrukturierungsmassnahmen zu tun. Es scheint so, dass die Konzerne die Krise nutzen, sich neu aufzustellen, die Profitabilität zu steigern und sich für die Zukunft fit zu machen. Holcim zum Beispiel hat in den zurückliegenden Monaten mehrere Übernahmen getätigt, so etwa den deutschen Dachbegrünungsspezialisten Zinco. Die Dachbegrünung ist ein relativ neuer Zweig in der Baubranche, gilt aber als sehr zukunftsorientiert und wachstumsstark. Zugleich arbeitet Holcim an der Modernisierung eines Zementwerks in Belgien. Es soll bis 2029 eine CO2-neutrale Zementproduktion im grossen Massstab erlauben und Vorbild für andere Zementwerke sein.

Ähnlich Heidelberg Materials. Zwar wurden im vergangenen Jahr gemessen an der Absatzmenge weniger Baustoffe verkauft, doch Preisanhebungen haben den Rückgang mehr als wettgemacht. Zudem konnte das Unternehmen die Energiekosten senken. Allein bei der Herstellung von Zement werden enorme Energiemengen benötigt. Da fällt jeder Cent Preissenkung ins Gewicht. Dazu passt auch die Meldung, dass Heidelberg Materials bis 2030 die Hälfte seines Umsatzes mit nachhaltigen Produkten erwirtschaften will, die CO2-arm sind oder zumindest zum Teil aus recyceltem Material bestehen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Der Konzern ist nach RWE der zweitgrösste Kohlendioxid-Emittent in Deutschland.

Hoher Bedarf an Wohnraum und Infrastruktur
Insgesamt mehren sich zudem die Zeichen, dass die Branche der Bauzulieferer im laufenden Jahr insgesamt wieder bessere Zahlen als 2023 vorlegen könnte. „Die Nachfrage im Bausektor sollte sich auf niedrigem Niveau stabilisieren“, so der Ausblick von Heidelberg Materials, was wohl so viel heissen könnte wie: „Es geht wieder aufwärts, der Boden ist erreicht.“
Allerdings wird diese Einschätzung nicht von allen Beteiligten vertreten. In der Baubranche herrscht immer noch grosse Skepsis. So veröffentlichte der Zentralverband des deutschen Baugewerbes (ZDB) im Dezember die Prognose, dass der Umsatz im Bauhauptgewerbe im laufenden Jahr in Deutschland real um drei Prozent sinken soll. Dabei soll es vor allem beim Wohnungsbau stocken. Der ZDB rechnet hier mit einem Umsatzrückgang von 15 Prozent auf dann knapp 50 Milliarden Euro. Eine leichte Verbesserung sieht der Verband im Wirtschafts- und im öffentlichen Bau.
Dabei gibt es durchaus Bemühungen, die Bautätigkeit in Deutschland anzukurbeln. Für den sozialen Wohnungsbau etwa soll den Bundesländern bis 2027 über 18 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Und für den Umbau von Gewerbeimmobilien zu Wohnraum sollen in diesem und im nächsten Jahr insgesamt 480 Millionen Euro Programmmittel im Rahmen eines neuen KfW-Förderprogramms bereitgestellt werden. Beobachter sehen darin zumindest so eine Art „Fundament“, auf dem die Branche nun aufbauen kann.

Ähnlich die Perspektive in der Schweiz. Die Bautätigkeit belief sich 2023 auf 23,4 Milliarden Franken, nominell entspricht das einer Steigerung von 0,7 Prozent beziehungsweise 160 Millionen Franken gegenüber dem Jahr 2022. Preisbereinigt fiel die Bautätigkeit im Vergleich zum Vorjahr aber um 0,9 Prozent. Unter dem Strich rechnet man für 2024 bestenfalls mit einer Stagnation. Da aber schweizweit grosser Nachholbedarf bei Wohnraum und Infrastruktur besteht, gehen Beobachter von einer Erholung des Geschäfts spätestens im kommenden Jahr aus. Zudem hat die Schweizer Regierung zahlreiche Förderprogramme entwickelt, um die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Bis 2050 will die Schweiz klimaneutral werden. Das geht nur mit einer deutlichen Steigerung der Bau- und Sanierungstätigkeiten.

Ein Blick nach vorne könnte sich lohnen
Die Baustoffhersteller in Zeiten der Krise. Doch scheinbar nutzen sie sie, um sich zu stärken. Mittelfristig bleiben die Aussichten für die Baustoffunternehmen also durchaus interessant. „Vor allem bin ich davon überzeugt, dass wir das profitable Wachstum in Europa durch Dekarbonisierung und zirkuläres Bauen weiter vorantreiben können“, so die Einschätzung von Miljan Gutovic, seit Mai 2024 neuer Holcim-Chef. Für Börsianer könnte es sich also lohnen, nach vorne zu schauen und die aktuelle Krise im Baugewerbe nicht überzubewerten. Unternehmen aus der Baustoffbranche, die nun zumindest auf die Watchliste gehören, sind unter anderem Holcim und Heidelberg Materials.

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